Bannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur Startseite
Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Pressebericht: Zeitzeugenbericht in Leisnig - Die Flucht mit dem Heißluftballon

Günter Wetzel erzählt von seiner Flucht aus der DDR. Mit einem Heißluftballon floh er 1979 nach Bayern. (Quelle: Sven Bartsch)

Am 03.07.2022 berichtete die Döbelner Allgemeine Zeitung: 

 

Gespannt lauschen Schüler und Eltern, wenn Günter Wetzel von seinem Leben erzählt. 1979 floh er mit dem Heißluftballon aus der DDR – im Zeitzeugengespräch schildert er seine Anspannung.

 

 

Leisnig. Vor 15629 Tagen floh Günter Wetzel aus der DDR. Seine Lebensgeschichte ist gezeichnet von Überzeugung und Freundschaft. Am Mittwochabend erzählte er den Besucherinnen und Besuchern die Flucht mit dem Heißluftballon. Er floh zusammen mit Peter Strelzyk und den beiden Familien am 16. September 1979 über die innerdeutsche Grenze von der DDR in die BRD.

Er sieht aus, wie ein freundlicher Nachbar von nebenan: rundes Gesicht, grauer Schnauzer, rahmenlose Brille und ein hellblaues Hemd, er lächelt, als er anfängt seine Geschichte zu erzählen und beginnt damit, wie er in der DDR aufwuchs und ab wann er mit dem Staat „seine Probleme bekam“, so der heutige Chemnitzer. Damals lebte er im thüringischen Pößneck. Wetzel wollte studieren, die Physik hat es ihm angetan. „Mir wurde gesagt, dass ich nicht studieren darf, weil mein Vater abgehauen ist. Er ging in die BRD, als ich fünf war. Seitdem hatte ich nie wieder etwas von ihm gehört“, beschreibt er.

 

Aus Freunden werden Komplizen

1978 lernten sich Peter und Günter bei der Arbeit kennen und sprachen nach einiger Zeit über den Wunsch, die DDR zu verlassen. Den Anstoß zur Ballon-Idee, gab es von der Schwägerin, welche eine Zeitschrift auf dem Westen mitbrachte, bei der es um das jährliche Ballonfahrertreffen in Albuquerque ging und schon kam Wetzel eine Idee. Mit einem einfachen Dreisatz berechnete er anhand der Personen auf dem Bild, wie groß der Ballon sein müsse. „1800 Kubikmeter muss er fassen, 800 Quadratmeter Stoff werden wir brauchen“, schildert er. Gegen einen Kasten Bier gab es einen Kofferraum voll Stoff aus einer Taschenfabrik.

Mit einer Nähmaschine aus den 30er Jahren fertigte Günter Wetzel aus 48 Stoffbahnen, welche er im Flur zugeschnitten hatte, den ersten Ballon. Der Stoff war zu durchlässig, der Ballon zu klein, bei den ersten Versuchen ging der Ballon kaputt. Für den zweiten brauchten sie neue Rohstoffe. Nachdem Tüftler Wetzel aus dem Staubsauger eine Konstruktion gebaut hatte, um die Luftdurchlässigkeit des Stoffs zu ermitteln, ging es für das Duo nach Leipzig in die Blechbüchse. Sie gaben sich als Ingenieure vom Segelsportverein aus und kauften 900 Quadratmeter Taftstoff.

 

Gänsehautmoment beim Konstrukteur

Da ein Ballon aus weit mehr Bestandteilen besteht, „musste dann mein Moped dran glauben, da ich ein Gebläse bauen musste“, sagt Günter Wetzel und schmollt kurz, „aber das Ding hat ordentlich Wind gemacht.“ Nachts testen die beiden Freunde den Ballon auf einer Lichtung aus – und es funktioniert. „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an den leuchtenden Ballon denke, wie er in voller Pracht da stand“, Wetzel hält inne. Die Schüler, Eltern und Gäste hängen an seinen Worten.

Es funktioniert, aber die beiden Freunde überwerfen sich. Strelzyk und Wetzel gehen getrennte Wege. Günter Wetzel arbeitet nun an der Konstruktion eines Leichtflugzeugs, wirft seine Skizzen an die Wand: „Ich bin 20 Jahre Fluglehrer, fliege seit 32 Jahren, ich kann ihnen sage, was sie hier sehen ist Murks.“ – die Aula lacht. Günter Wetzel hat sich zurückgezogen, da Peter Strelzyk mehr Geld in das Projekt Heißluftballon gesteckt hat, dieser bekommt den zweiten Ballon auch zum Fliegen, jedoch landet er im Sperrgebiet.

 

Der dritte Ballon

Mit der Neuigkeit im Gepäck finden die beiden Männer wieder zusammen. Und es wird einen dritten, letzten Ballon geben. "1300 Quadratmeter Stoff, 60 Stoffbahnen mit 35 Meter länge sind nötig, übrigens, wen es interessiert, ich habe einen Ballonrechner auf meiner Webseite www.ballonflucht.de integriert", Wetzel schmunzelt. Mit dem Ballon fliehen die zwei Familien in der Nacht zum 16. September 1979 ins bayrische Naila.

Ein Aufatmen geht durch die Menge, nachdem Wetzel erzählt, wie sie schließlich angekommen sind. In der vorletzten Reihe sitzt Arne Felix (11). Er besucht des Lessing Gymnasiums Döbeln. „Ich habe den Film Ballon gesehen – die Geschichte interessiert mich. Es war so spannend“, beschreibt der Fünftklässler. Die Spannung ist im Raum zu spüren. Besonders als der zweite Mann im Raum in den Fokus rückt. Peter Richter, Grenzsoldat in der DDR, welcher den Nachthimmel 1979 mit Scheinwerfern absuchte, Scheinwerfer, die Wetzel von seinem Ballon aus sah.

 

Text: Juliane Staretzek 

Foto: Sven Bartsch

Suche